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MARCH
2011
Die
Jagd des Geheimdienstes nach Gold
Forwarded
by Chicago Donauschwaben
Meine
Erlebnisse mit der rumänischen Securitate
Von:
Erwin M. Fischer
Der 23. August 1944 war der Schicksalstag Rumäniens und der deutschen
Volksgruppe. An diesem Tag stürzte König Michael I. den Marschall
Ion Antonescu und schloss mit den Russen einen Waffenstillstand. In
dieser Zeit des Umbruchs, und zwar in den Jahren 1944 bis 1946, haben
viele Banater Familien Goldmünzen gekauft. Sie wurden entweder im
eigenen Hause versteckt oder im Garten eingegraben. Im Juni des Jahres
1951 besuchte uns meine alleinstehende Tante Lisa aus Detta mit der
Bitte, ihre mitgebrachten Goldmünzen in unserem Haus in Temeschburg
zu verstecken. Wir haben die zwanzig Goldmünzen auf dem Dachboden
aufbewahrt. Leider hatten wir keinen ausreichenden Wohnraum zur Verfügung,
um Tante Lisa bei uns aufzunehmen. Acht Jahre später, im Juni 1959,
unterrichtete ich bereits als Gymnasiallehrer am Abendlyzeum, als mich
in der Schulpause ein Milizoffizier aufsuchte und mich aufforderte,
ihm zu folgen. Wir fuhren zur Milizstelle am Begaufer.
Dort war ich mit weiteren fünf Inhaftierten in einem Raum ohne
Fenster im Kellergeschoss untergebracht und einem ungewissen Schicksal
überlassen. Lediglich einige Luftlöcher zierten den unteren Teil der
Türen des Raumes. Am nächsten Morgen fand ein Verhör statt,
verbunden mit der Aufforderung, das Versteck der Goldmünzen in
unserem Familienhaus preiszugeben. Ich sagte zum wiederholten Male aus,
dass ich von den Goldmünzen nichts wisse. Nach drei Tagen kam
Leutnant Popescu vorbei und teilte mir mit, dass mein Haftaufenthalt
um Tage verlängert wird. Dagegen protestierte ich vehement und
versicherte ihm meine Unschuld. Nach einigen Tagen voller quälender
Gedanken kam mir folgende rettende Idee: Ich erinnerte mich, dass ich
im Juni 1951 mit meinem Freund Josef Maywurm einen dreitägigen
Fahrradausflug nach Hermannstadt unternommen hatte. Demzufolge konnte
ich doch nicht zu Hause gewesen sein, als Tante Lisa die Goldmünzen
meiner Mutter zur Aufbewahrung übergeben hatte. Einige Tage später
habe ich dann diese Aussage auch schriftlich abgegeben unter Vorlage
von Papier, Tinte und Schreibgerät.
Anmerken möchte ich noch, dass unter den fünf Mitinhaftierten
mindestens ein Spitzel war, der immer wieder versuchte, mit uns ins
Gespräch zu kommen, um uns auszuhorchen. Diesbezüglich habe ich mich
auf keinerlei Diskussionen eingelassen. Während des Freigangs auf dem
Weg zu den Toiletten habe ich immer eine ruhige und selbstsichere
Haltung eingenommen. Meine Haare waren damals übrigens kurz
geschnitten. Nach 27 Tagen Haft erklärte mir der Milizoffizier, dass
ich nun nach Bukarest überführt werde. Ich antwortete ihm: „Va
stau la dispozitie“ (Ich stehe Ihnen zur Verfügung). Daraufhin
entgegnete er: „Sie sind frei, Sie können nach Hause gehen!“ Es
war ein sehr schöner Sommertag, als ich nach 27 Tagen Haft zu Hause
ankam und meine Eltern begrüßen und umarmen konnte. Mein Vater und
meine Mutter waren nämlich am gleichen Tag wie ich verhaftet worden.
Da meine Tante fremden Menschen von der Existenz der Goldmünzen erzählt
hatte, haben diese den Geheimdienst informiert. Bereits nach drei
Tagen hatte meine Mutter die Münzen übergeben. Ich wusste, dass
meine Existenz als Gymnasiallehrer gefährdet war. Für Privatpersonen
war der Besitz von Goldmünzen gesetzlich verboten; alles Gold musste
zur Sanierung des Staatshaushaltes abgegeben werden.
Mit dem Ziel, einer Haftstrafe zu entgehen, hatte meine Mutter zu
ihrer Verteidigung einen Rechtsanwalt engagiert. Leider gab es im
Dezember 1959 keinen Aufschub mehr. Das bedeutete, dass sie im Januar
1960 ihre Haftstrafe von sechs Monaten antreten musste. Nach nur fünf
Monaten (im Juni 1960) wurde sie jedoch entlassen. Grund der
vorzeitigen Entlassung war eine landesweite Amnestie für Besitzer von
Goldmünzen. Schließlich wurde die Jagd nach Gold eingestellt. Bezüglich
der Thematik „Jagd der Securitate nach Goldmünzen“ gab es viele
Beispiele von Verrat. Um drohenden Foltermaßnahmen zu entkommen,
hatten die von der Securitate verhafteten Personen ihre eigenen
Landsleute, die auch Goldmünzen gekauft hatten, verraten und
angezeigt. Betroffene wurden solange verprügelt, bis sie aus
Verzweiflung und Demütigung die Goldmünzen herausgaben. Es gab auch
Fälle von Suizid.
Noch tragischer war die Situation den Familien, die aus der Baragan-Deportation
zurückgekehrt waren. Als sie ihre von Kolonisten bewohnten Häuser
wieder bezogen hatten, suchten sie ihre versteckten Goldmünzen –
aber nicht alle Familien fanden sie. Die Kolonisten hatten sie längst
entdeckt und verschwinden lassen. Demzufolge konnten die von der
Securitate verhafteten und gefolterten Männer der besagten Familien
keine Goldmünzen mehr zurückgeben. Weil man dem verhafteten
Personenkreis keinen Glauben schenken wollte, wiederholten sich die
Verhaftungen. Die Prügelattacken waren so heftig und gnadenlos, dass
einige Personen nach kurzer Zeit sogar verstorben sind.
Meine berufliche Tätigkeit als Gymnasiallehrer setzte ich am
Abendgymnasium fort. In der von mir unterrichteten Klasse befanden
sich ausschließlich Offiziere und Unteroffiziere, die sich während
des Unterrichtes im Flüsterton unterhielten. Ich fing die Stimme
einer dieser Männer auf, die besagte: „Der war nicht schuldig.“
Noch kurz vor den Sommerferien des Schuljahres 1959 erreichte mich die
Einladung eines Offiziers namens Sandu (ehemaliger Schüler vom
Abendgymnasium), ihn in seiner Dienststelle zu besuchen. Am nächsten
Tag pünktlich um 10 Uhr vormittags war ich dort, wurde aber vertröstet
zu warten. Daraufhin fuhr eine schwarze Limousine vor, man bat mich
einzusteigen, um kurz danach in der Zentrale der Securitate in der
Loga-Straße zu landen. Dort wurde ich in ein kleines Zimmer gebracht,
das mit einer Liege ausgestattet war, und man ließ mich warten. Die
Warterei hielt bis zum Nachmittag an, man wollte mich so unter
massiven Druck setzen. Endlich erschien ein Major der Securitate
namens Janto zum Verhör, der mich während des Verhörs auch
geohrfeigt hat.
Man konnte mir nichts nachweisen was eventuell gravierende Folgen hätte
haben können. Spät am Abend hat man mich entlassen, und weil ich ja
dem Unterricht an der Schule ferngeblieben war, legte man mir nahe,
als Ausrede zu sagen, dass ich in Arad gewesen wäre und deshalb
meiner beruflichen Pflicht nicht nachkommen konnte. Eigentlich wollte
man mich als Informant gewinnen. Deshalb sollte ich in zwei Wochen
nachmittags um 16 Uhr in einem nahegelegenen Park erneut erscheinen.
Danach hat man mich mit dem Auto nach Hause gefahren. Ich war bereits
von meinen Eltern bei der Polizei als vermisst gemeldet worden. Nach
Ablauf der zwei Wochen war ich pünktlich am vereinbarten Treffpunkt
und wartete eine halbe Stunde lang, aber von der Securitate erschien
niemand. Somit war meine erste Spitzeltätigkeit beendet.
Im Oktober 1962 wurde ich vom Geheimdienstoffizier Minciu ins
Tipografilor-Viertel in eine konspirative Wohnung eingeladen. Er
fragte ohne Umschweife, ob ich Informationen über meine
Lehrerkollegen liefern möchte. Ich ging auf seinen Vorschlag ein und
erklärte mich dazu bereit. So kam es, dass wir uns zwei oder drei Mal
in dieser konspirativen Wohnung immer vormittags getroffen haben. Seit
Beginn des neuen Schuljahres kannte ich meine Kollegen erst kurze Zeit
(etwa einen Monat lang). Ich beendete eine Information über einen
Kollegen, daraufhin verlangte Genosse Minciu, dass ich anstelle meines
Familiennamens einen anderen Namen benutzen sollte. Schlagfertig
erwiderte ich „Calin“, und auf die Frage, wie ich ausgerechnet auf
diesen Namen käme, erklärte ich dazu, dass ich mir am Vortag die
Rasiercreme „Calin“ gekauft hatte.
Meine Informantentätigkeit war bald beendet. Meine Strategie dabei,
zunächst die Tätigkeit nicht abzulehnen, aber niemals relevante
Informationen zu liefern, erwies sich als richtig.