VISITING AUTHOR/EDITOR ARTICLE JANUARY 2009 GERMAN POETRY Forwarded From German Cultural Society, St. Louis
Die Uhr
Ich
trage, wo ich gehe, Stets
eine Uhr bei mir; Wieviel
es geschlagen habe, Genau
seh ich an ihr. Es
ist ein großer Meister, Der
künstlich ihr Werk gefügt, Wenngleich
ihr Gang nicht immer Dem
törichten Wunsche genügt. Ich
wollte, sie wäre rascher Gegangen
an manchem Tag; Ich
wollte, sie hätte manchmal Verzögert
den raschen Schlag. In
meinen Leiden und Freuden, In
Sturm und in der Ruh, Was
immer geschah im Leben, Sie
pochte den Takt dazu. Sie
schlug am Sarge des Vaters, Sie
schlug an des Freundes Bahr, Sie
schlug am Morgen der Liebe, Sie
schlug am Traualtar. Sie
schlug an der Wiege des Kindes, Sie
schlägt, will’s Gott, noch oft, Wenn
bessere Tage kommen, Wie
meine Seele es hofft. Und
ward sie auch einmal träger, Und
drohte zu stocken ihr Lauf, So
zog der Meister immer Großmütig
sie wieder auf. Doch
stände sie einmal stille, Dann
wär’s um sie geschehn, Kein
andrer, als der sie fügte, Bringt
die Zerstörte zum Gehn. Dann
müßt ich zum Meister wandern, Der
wohnt am Ende wohl weit, Wohl
draußen, jenseits der Erde, Wohl
dort in der Ewigkeit! Dann
gäb ich sie ihm zurücke Mit
dankbar kindlichem Flehn: Sieh,
Herr, ich hab nichts verdorben, Sie blieb von selber stehn.
Johann
Gabriel Seidl (1804-1875)
Unser Herz ist eine Harfe
Unser
Herz ist eine Harfe, eine
Harfe mit zwei Saiten, auf
der einen jauchzt die Freude und
der Schmerz weint in der zweiten. Und
des Schicksals Finger spielen
drauf die ewigen Klänge: Heute
frohe Hochzeitslieder, morgen dumpfe Grabgesänge.
Peter
Rosegger 1843-1918
Ein Dörflein in der Heide
Ein
Dörflein in der Heide, vom
Zauber je umhüllt, bot
uns im Frühlingskleide das
schönste Märchenbild. Da
schneit’ es Apfelblüten ringsum
die Gärten dicht. Ein
Mädchenherz zu hüten fiel
schwerer ins Gewicht. Der
Wein, die Kletterrosen umrankten
Haus und Dach. Beim
Küssen und beim Kosen ging
man dem Scherzen nach. Und
wenn die Abendsonne entschwand
am Firmament, war
noch voll Lust und Wonne, der
Tag, und fand kein End. Dann
legte sich die Stille sanft
über Hof und Haus. Es
zirpte noch die Grille, und
Licht um Licht ging aus. Nun
scheint der Mond ins Zimmer, drin
sclief mal ich und du. Für
uns schließt bald für immer ein Dorf die Augen zu.
Gertrud Lauer
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